Das Geschenk der Zeit

 

Blumen, Früchte, Austern und Schmuck. Luxus pur. Doch was ist Luxus? Für jeden etwas Anderes. Was gilt noch als Luxus in jener Gesellschaft, in der das Überangebot selbstverständlich ist?  Was vorher unerreichbar schien, kann sich heute scheinbar jeder leisten. Luxus ist massentauglich geworden. Doch die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht nach dem Besonderen, Außergewöhnlichem ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Die sozialen Medien vermitteln uns, dass wir alles haben können, während Influnecer und Designer entscheiden, was wir haben müssen. Dieses neue Verhältnis zu Dingen ist dennoch keine Erscheinung einer kapitalistischen Gesellschaft, sondern vielmehr eine Folge des Goldenen Zeitalters in den Niederlandens im 17. Jahrhundert. Voraussetzung für jene Blüte war der Aufstieg der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande zur weltumspannenden See- und Handelsmacht. Die Niederländer segelten nach Asien, China, Japan und Indonesien. Sie brachten exotische Güter wie Porzellan, Elfenbein, Gewürze und Textilien mit. Sie versetzten ihre Zeitgenossen ins Staunen und änderten den Geschmack Europas. Ihren neuerworbenen Wohlstand präsentierten sie mit Stolz in einer neuen Gemäldegattung: dem Stillleben.

Der Begriff Stillleben bezeichnet innerhalb der Kunstgeschichte eine Anordnung aus toten bzw. reglosen Gegenständen. Zu den klassischen Objekten zählen Blumen, Früchte, kostbares Geschirr und Schmuck.   In altmeisterlicher Manier, und satten Grün- und Rottönen präsentiert die Fotografie mit Hilfe modernster Technik die Schönheit der Dinge die uns alltäglich umgeben.  Die Zitrone, in der Vergangenheit noch ein exotisches Importprodukt aus dem Orient, ist heute ein Platzhüter in der heimischen Obstschale. Daneben der Granatapfel, das Symbol für die sinnliche Liebe und Frucht der Liebesgöttin Aphrodite. Ähnlich wie ihr, der Schönsten aller Frauen, hat man auch den Austern im 17. Jahrhundert eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Mussten früher das Obst und die Blumen, der Schmuck und die Speisen oftmals ganze Ozeane überqueren, so erscheinen sie heute beinah alltäglich, so greifbar und nah. In einem Zeitalter in dem Dank Supermärkte und Amazon jedes Gut innerhalb von 24 Stunden vor die eigene Tür gebracht werden kann, grenzt die Idee der Unerreichbarkeit beinahe an Absurdität.

Auch wenn das Stillleben die Erzeugnisse der Natur präsentiert und zelebriert, so ist es doch die menschliche Hand die über all den Gegenständen steht und ihnen ihre Besonderheit verleiht. Das edle Geschmeide, die technischen Errungenschaften und Anordnung der Dinge, all das ist nur durch den Eingriff eines Menschen möglich. Trotz Abwesenheit ist die Erhabenheit einer Frau greifbar. Zwei zarte Hände, ein Abbild der Brust und eine Feuchtigkeitsmaske tragen ihre Signatur. Die aufgeschnittenen Früchte als sinnliche Anspielung auf das weibliche Geschlecht, die Handtasche als weiblicher Besitz. Bereits seit dem Mittelalter wurden die Todsünden Habgier (Luxuria), Wollust und Hochmut weiblich konnotiert. Doch besitzt diese Deutung heute noch ihre Gültigkeit? Die Spiegel, das iPad und das Handy als Erzeuger des persönlichen Abbildes. Zeigen sie was man ist, oder doch was man sehen möchte? Die Maske als der Versuch die Schönheit zu wahren, während das langsam faulende Obst und die Taschenuhr vor der Vergänglichkeit des Seins warnen.

Ist es also eine Mahnung vor der Habgier und der Eitelkeit? Oder vielmehr als eine Erinnerung an die Flüchtigkeit des Moments. Ist möglich die Balance zu finden, in einer Welt des Überflusses, in der das Besitzen zur Tugend geworden ist, und die eigene Schönheit zur Hochmut neigt? Diese Frage kann sich jeder nur selbst beantworten. Ungeachtet der vielen Fragen lässt das prunkvolle Arrangement an das einzig wahre Luxusgut denken – die flüchtige Schönheit des Augenblicks.

KC.

 
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Kunst und Kaviar1 Comment